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Dorfgeschichten: Reptilien

„Wisst Ihr eigentlich, wer Johannes Nepomuk war? Ihr Schwachköpfe. Oder Herkules? Kunz, willst Du bis Sanktnimmerlein schweres Zeug in den Himmel heben? Für Gott ist das Federklein. Komm her, ich will sehen, was deine Ohren taugen, wo du schon kein Hirn hast.“

 

Der Pfarrer hat sich immer schnell aufgeregt und ist dann wie ein Wilder in der Klasse hin- und hergerannt. Wenn´s ihm zu bunt wurde, hat er am liebsten Ohren verdreht, bis es nicht mehr weh tat. Er hat es aber gut gemeint. Der Pfarrer wollte, dass wir Gedichte und Flüsse auswendig kennen. Die Nonnen im Kindergarten wollten uns totmachen.

 

Böse waren sie, schrecklicher wie die Hexen im Märchen. Gar keine richtigen Menschen eigentlich, so ganz ohne Haare noch dazu. Eidechsen haben auch keine Haare, sind aber ängstlich. Menschen haben immer Haare, wenn sie nicht alte Männer sind. Dann ist es richtig, aber auch komisch. Eidechsen finden bestimmt keinen zum Gernhaben. Aber da muss er nochmal den Pfarrer fragen.

 

Die Mutter sagt, die Nonnen sind heilge Frauen, die dem Jesus angehören. Er glaubt aber nicht, dass die dem Jesus gefallen haben. Der Jesus hat nämlich gut ausgeschaut und war freundlich. Auch am Kreuz, wo er so Durst gehabt hat. Der Jesus hätte bestimmt lieber die Lotte dabeigehabt, mit den vielen Haaren und dem frechen Maul. Da hat man was zum Lachen und zum Riechen, dass es kitzelt, auch wo es nicht soll.

 

Die Nonnen haben dafür riesige Kreuze an sich hängen, mitten auf dem Herz. Da ist dann kein Platz mehr für was Anderes. 

 

Die Mutter geht ständig in die Messe und in den Rosenkranz. Wichtig ist, dass sie geht und nicht rennt. Wer in die Messe rennt, macht was falsch. Er ist dann kein guter Katholik. Das ist schwer zu verstehn.

Die Nonnen, der Pfarrer, der Gott, der Jesus, der Heilge Geist und die Muttergottesmaria. Das kann kein Mensch begreifen. Muss man auch nicht, sagt die Mutter.

 

Beim Gott meint der Pfarrer das auch. Der kann sich nicht um alle kümmern. Und nie kann er wissen, ob ihm der Heilge Geist als Taube oder Staubwolke dazwischenfunkt. Dann muss der Gott viel richten und kommt manchmal durcheinander.

 

Ob die Hanni deshalb mit sieben Jahren gestorben ist? Oder weil sie so hübsch und fröhlich war? Nicht dass jemand von denen da oben auch neidisch auf die Lotte ist. Das wär‘ schlimm. Vielleicht hat aber auch die Mariamuttergottes einen Fehler gemacht. Oder es war extra. Das tät‘ ihn nicht wundern. Die Mütter haben manchmal eine große Wut auf die Kinder.

 

Der Pfarrer nicht. Kinder hat er keine, obwohl er wie ein Mann aussieht. Wahrscheinlich gehört er auch dem Jesus an, kommt aber besser damit zurecht. Er muss sich auch nur in der Messe verkleiden und ist sonst fast normal. Und das Kreuz ist kleiner auf dem Herz. Der Pfarrer ärgert sich nur, wenn man aus dem Fenster guckt und wenn die Gedichte nicht sitzen. Rotzen ist streng verboten und in die Hose machen. Aber beim Pfarrer muss man nicht auf den Tisch stehen und den nackigen, versauten Hintern den anderen zeigen wie bei den Nonnen. Vorn dürfen die Buben zuheben. Die Mädchen nicht, die haben da ja nichts.

 

Foto Christina Vollmert: Marionette/Georg Pacher, Bad Tölz Anfang 20. Jahrhundert

 

 

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