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Kannitverstan

Viele Menschen haben große Freude am Sprechen. Sie tun es ständig, pausenlos manchmal, oft scheinbar grundlos. Die Lust am Sich-Äußern ist so drängend, dass sie die Rede Anderer unbedingt ergänzen und bereichern will. Freundlich und eng am Thema, sofern gute Manieren zum Selbstbild gehören.

 

 

Egal ob von Spaghetti die Rede ist, von Tagescreme, fernen Ländern oder Buxtehude. Es muss hineingepurzelt werden „da war ich auch schon, das Rathaus traumhaft, kennst Du die Pizzeria linksunten und ist das nicht auch ein Musiker?“

 

 

Bestimmt ist daran wieder unsere Mutter schuld. Anfangs läuft es ja gut mit der Person, die wir bald "Mama" nennen. Sie versteht sofort und alles: Hunger, müde, aua. Urplötzlich kapiert sie aber nichts mehr. Sie wird begriffsstutzig und will doch immer mehr Worte. Viele viele Namen für dies und das und die ganze Welt. Ohne „Spaghetti“ gibt es auch keine oder die völlig falsche Nudel oder eklig zerquetschte Bananen. Später, mit der Schule, regieren nur noch Wörter, könnte man meinen. Und das Allerwichtigste, das kleine Ich, gerät ins Hintertreffen. Das ist sehr enttäuschend und so sagt der Vierzehnjährige eine Weile gar nichts mehr. Es hat sowieso niemand die geringste Ahnung, worum es wirklich geht.

 

Leider bleibt das meist nicht so. Das Ich will im Wettstreit der Menschen wieder groß herauskommen mit dem Wort. Es kennt sich aus mit Tagescreme, fernen Ländern und Buxtehude. Vielleicht hat es aber auch nur Hunger. Nach den richtig schönen Sätzen: „Du bist toll!" Nur zum Beispiel. Oder auch mal was aus dem romantischen Repertoire.

 

Viele Menschen haben große Not beim Sprechen. Denn am Anfang war auf keinen Fall das Wort. Und am Ende wird es auch nicht stehen. Wenn´s um die Wurst geht, beim Leiden, Lieben und Sterben, gibt es keins. 

 

Beim Schreiben ist natürlich alles ganz anders, keine Eitelkeit nirgends.

 

 

Foto: Elaine Humphries (Flohmarkt/Madrid/Spanien)

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Kommentare: 1
  • #1

    Mechthild Kremer (Sonntag, 06 August 2017 18:33)

    Etwas verspätet muss ich mich doch auch noch zu diesem Eintrag äußern. Über das Thema Mütter habe ich da ganz schnell eine Verbindung zu Windbeuteln, die gab es nämlich früher immer bei unseren Namenstags-Kaffeetafeln. Meine Mutter machte köstliche Windbeutel. Es kamen Sauerkirschen rein und obendrauf dick Sahne und dann der Deckel vom Windbeutel. Einfach lecker. Auch in Zeiten als ich mich mit meiner Mutter - siehe Thema Pupertät - nicht mehr so gut verstand, habe ich ihre Windbeutel geliebt. Ich konnte ja nicht ahnen, dass später diese Erinnerung durch einen gleichnamigen Blog zurückkehren würde, bei dem es sich ähnlich verhält: köstliche Texte garniert mit feinen Gedanken, wortreich verpackt.
    Danke Susanne, für diese Freude!