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Freiraum

„Warum schreibst du nicht mal über was Schönes?“ Die Frage hat gesessen. Es stimmt ja auch, die ständige Klage über Beklagenswertes ist ermüdend. Jedenfalls für die Zuhörer

 

Meine eigenen Beschwerden machen mich aber froh, muss ich gestehen. Vor allem, wenn das Thema Lautstärke, Gefuchtel und heilige Empörung hergibt. Das gehört seltsam verdreht zum „Hier-bin-ich-Mensch, hier-darf-ich‘s-sein“ – Gefühl. Falls da was Wahres dran sein sollte, fehlt aber immer noch das Schöne. Vom Guten ganz zu schweigen.

 

Bei der Suche nach Stoff für das Klagewesen sind Zeitungen absolut zuverlässig. Die Rubrik „Schön-und-gut“ ist weniger ergiebig. Aber es gibt hin und wieder geeignete Meldungen.

 

Vom frei genutzten, öffentlichen Raum für alle ist da seit einiger Zeit zu lesen. „Shared Space“ heißt die Idee. Wahrscheinlich, damit auch die Briten verstehen, dass sie ihr hartnäckiges Schlangestehen überdenken sollten. Na gut, dabei geht es nur um ein ordentliches Hintereinander beim Warten aufs Fahrzeug. Freiheit sieht trotzdem anders aus.

 

Vielleicht haben die Engländer einen Ausflug nach Köln gemacht und in der Bäckerei erlebt: so ist das nicht schön. Während die Dänen und Niederländer auf der Teilhabefläche daheim sind und noch nie auf der Breite Straße versucht haben, Zickzack zu gehen?

 

Bisher behaupten dort nur Fußgänger und Fahrradfahrer ihr Platzrecht. Wenn da auch noch Autos mitmischen, gibt es ein Gemetzel. So weissage ich Euch. Der mörderische Impuls wird ins zivile Wortgefecht übersetzt, versteht sich. Tätliche Gewalt ist verpönt bei uns. Außer wenn es offizielle Gründe dafür gibt oder privat mal die Hand ausrutscht.

 

Ich persönlich bin eine geübte Teilerin: Der eine Osterhase durch uns vier Geschwister, Kühlschrank und Tränen in der Wohngemeinschaft. Bei der Arbeit stelle ich mich auch nicht an. Mache meinen Teil, nicht ganz so beherzt, aber wenn´s anders nicht besser geht?

 

Shareware, Food und Car, Crowd und Holder meinetwegen, bin dabei. Am liebsten würde ich sowieso - das ist jetzt streng vertraulich - alle zum Teilen zwingen.

Auf der Straße komme ich aber nicht klar mit der Teilerei. Also nicht voran. Die Frau geht quer, das Kind rennt weg, die Leine zu lang. So was denke ich andauernd, steige ab, gucke blöd und wäre inzwischen kurz vor Hamburg mit der Bahn.

 

Mein Problem, okok. Freiheit ist ein anspruchsvolles Ziel. Man muss ein Leben lang üben. Kämpfen wollen, Durchsetzungskraft zeigen, Widerstände überwinden. Mir scheint, das gehört dazu zur Freiheit auf der Breite Straße und sonstwo. Schön ist das nicht. Gut vielleicht.

 

Ich halte weiter Ausschau.   

 

 

 

Foto: Elaine Humphries (Madrid/Spanien)

 

 

 

 

 

 

 

 

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