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Stolz

 

Alphabetisch sind wir leicht identifiziert: angestellt, arm, blauäugig, Choleriker, Deutsche, Durchschnitt, Europäerin, farbig, Frau, Geschäftsführer, gutmütig, Hasenfuß, Hetero, Inderin, kriminell, kurzsichtig, links, Mann, Mensch, Nichtraucherin, Ostholsteiner, Porschebesitzer, Querulantin, rechts, reich, religiös, rigoros, Rumpelstilzchen, Schrebergärtner, schwul, selbständig, Seniorin, tätowiert, ungläubig, Vegetarierin, weiß, Steinbock, Zalando-Bote, Zimperlieschen und so fort.

 

Daheim im Wohnzimmer fühlt sich das eigene Gemisch total normal an. Schließlich sitzen da Rumpelstilz und Zimperlies in Personalunion auf dem Sofa und gucken Breaking Bad.

 

Schwieriger wird es, wenn wir eine andere Reihenfolge bilden, nach schlecht, schön, stolz, tja, wichtig und glücklicherweise sortieren sollen. 

 

„Tja“ ist das meiste, finde ich. Zufällig und belanglos, wie Oberpfälzerin, Linkshänder oder die Vorliebe für Plüsch-Elefanten.

 

Unter „glücklicherweise“ fällt auch viel, sofern man Europäerin ist. Zufällig wie die Einträge beim „tja“, aber entscheidend für ein bequemes Leben vom Frühstück bis zur Nachtruhe. Nicht für alle, stimmt. Aber das ist offenbar zum gesellschaftlichen Naturgesetz geworden.

 

„Deutsch“ als Untergruppe ist seit kurzem ein bisschen prima. Wertvoller Pass, duale Ausbildung, Alice Schwarzer – jawohl! – und noch so Einiges aus Betrieb, Schule und Klinik. Bis vor kurzem war noch sehr „schlecht“ einzig richtig. Im Durchschnitt ergibt das aber wieder nur ein „tja“.

 

„Schön“ ist Menschsein. Da bin ich ganz sicher. Kein Delphin oder Pandabär kann hier mithalten. Gänseblümchen sind auch keine Option. Nicht mal Sojasprossen oder Quinoa kommen für mich im unwahrscheinlichen Fall einer Wiedergeburt in Frage.

 

„Stolz“ bin ich selbstverständlich auf mein Sternzeichen. Ein besseres gibt es nämlich nicht im Weltall, egal was die Nullen drumherum behaupten. Nicht Glück oder Zufall, das Schicksal hat mich ausgezeichnet. Jetzt ist es raus. Bedauerlich für die minderwertigen Tierkreiszeichen nebenan, aber was willste machen?

 

Fast hätte ich in meinem aufrechten Stolz „wichtig“ vergessen. Arm oder reich könnte womöglich dazugehören. Und die Folgen. Eigentlich zählt aber nur reich, wenn ich´s recht bedenke. Die Anderen fallen kaum ins Gewicht, sind so was wie Tippfehler im gesellschaftlichen Text. Vielleicht brauchen die nur ein eigenes Sternzeichen zum Gutfühlen. Man muss es ja nicht „Wurm“ nennen.

 

 

Foto: Susanne

 

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