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Dorfgeschichten: Röslein fein

Stark muss man sein im Leben, das ist klar. Der Vater war´s nicht, sonst hätt´ er gewonnen im Krieg. Nicht mal heimgekommen ist er, gefangen nehmen hat er sich lassen und ist dann scheint´s verhungert. Auf dem Bild in der Küche sieht er fast aus wie die Muttergottes. Die Arme kann man da nicht sehen. Vielleicht sind die ganz dünn. Kann aber auch sein, dass es Schraubzwingen sind, furchtbarer wie die von der Mutter. Und es hat in Wahrheit zwanzig Mann gebraucht bis er im Graben lag. Geschämt haben die sich dann und gesagt, er ist am Hunger gestorben.

 

Die Mädchen im Haus sind spindeldürr und faul. Die Gerda geht noch, sie macht wenigstens sauber. Begreifen tun die aber alle nichts, in der Schule nicht und daheim auch nicht. Eine Plage, sagt die Mutter. Da hat sie mal recht. Manchmal weiß er nicht, wer überhaupt von den Rotznasen dazugehört. Der Hund von droben ist da besser im Vergleich. Auch wenn er jetzt durcheinander ist wegen der Mäuse. Vielleicht hat er sie gerngehabt. Den Hund kann man anfassen und er freut sich, wenn man irgendein Zeug erzählt.

 

Es ist leichter, dem Hund was zu erzählen als der Lotte. Die Lotte ist anders als die Schwestern. Immer picobello. Eine Königin. Die braucht keinen König, denkt er und geniert sich wegen dem Blödsinn. Aber geguckt hat sie schon, als die Schausteller ihn mitnehmen wollten, weil er Gewichte gestemmt hat wie keiner sonst auf dem Dorfplatz. „Da lach´ ich doch“ sagt er, geht auf die Bühne und hebt die Hanteln hoch. Sie waren nicht schwer. Vielleicht sind die Schausteller doch nur Zigeuner und Betrüger, wie der Wirt vom Engel sagt. Nach dem Kirchenfest vom Nepomuk haben aber keine Mädchen gefehlt im Dorf.

 

Foto: Familienalbum, Mädchen unbekannt

 

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