Das Deutsche Reich heißt jetzt Fratelli

Das Deutsch Reich heißt jetzt Fratelli. Man konnte gut bürgerlich essen im Deutschen Reich. Legendär die Schweinslende mit Kroketten und heller Soße. Das Dorf kannte die Köchin persönlich und der Metzger das Schwein. Taufe, Kommunion, Hochzeit und Leichenschmaus wurden dort gefeiert. Das ganze Leben ein Bankett im Deutschen Reich.

 

Man konnte auch zum Klaus gehen. Das war der Wirt vom Deutschen Reich. Zu dem kamen die Handballer nach dem Training. Irgendwann hatte der Klaus aber aus bei den Handballern oder die Handballer hatten aus beim Klaus. Wahrscheinlich ging es um ein falsches Foul. Das weiß Jahre später keiner mehr so genau.

 

Es spielt auch keine Rolle. Aus ist aus. „Der hat aus bei mir“ war ein endgültiges Urteil. Wie in der griechischen Mythologie. Ohne Unschuldsvermutung und Prozess mit Rede und Gegenrede. Für die einen wie die anderen war alles sonnenklar. Immerhin war tätige Rache unüblich. Doch keine klassische Tragödie. In jenen fernen Geschichten haben sie sich jahrhundertelang wechselseitig massakriert. Der hat meinen Vater, ich jetzt die Mutter und oh weh meine arme Schwester.

 

Irgendwann war der Klaus alt und müd und das Deutsche Reich stand zum Verkauf. Ein riesiges Gebäude, mit Kelter zum Mosten, Kegelbahn und Außenterrasse. Hochwertige, schwer hässliche Kacheln aus den Siebzigern an der Waschgelegenheit in den Gästezimmern. Ein Schnäppchen für Reichsbürger und andere Verwirrte. Wäre ich Reichsbürgerin, würde ich auch das Deutsche Reich kaufen wollen. Sogar die notgeborene Versteigerung passt. Droht unserem ehemals schönen deutschen Land nicht der Totalausverkauf an Mohammedaner, Neger und fremde Geldsäcke?

 

Es kam anders. Die CSU ist nicht die AFD. Die Gemeinde hat das Anwesen gekauft. Die Pächterfamilie hat rumänische Wurzeln. Keine Roma um Gottes Willen. Sieben-, keine Reichsbürger, also Deutsche gewissermaßen. Auf Rumänisch heißt Brüder „fratii“, italienisch „fratelli“. Das klingt schöner. Außerdem sind die Italiener nicht mehr so richtige Ausländer.

 

Das Dorf ist begeistert. Endlich wieder ein Gasthaus im Ort. Und das mit dem Deutschen Reich war allmählich auch wirklich überholt.

 

Jetzt müssen die nur noch kochen wie früher. Zwischendurch mal Schweinslende mit Kroketten und heller Soße wäre schön.

 

Die Geschichte ist übrigens von vorne bis hinten wahr. Ich schwöre. Auf das Grundgesetz, versteht sich.

 

Foto: Elaine Humphries Kirchzell

 

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Kommentare: 6
  • #1

    Bettina (Freitag, 01 November 2019 11:51)

    so wahr,daß mans öffentlich machen müßte liebe Schwester

  • #2

    Susanne (Freitag, 01 November 2019 13:08)

    Ich find's auch irre, dass das alles echt wahr ist, liebe Bettina.

  • #3

    Jutta (Freitag, 01 November 2019 14:32)

    Bei uns im Dorf heißt der Klaus Roger. Roger französisch ausgesprochen. Nicht englisch. Oder gar deutsch. Weil Roger aus Belgien kommt. Und was dem Klaus seine Schweinslende, ist dem Roger das Schnitzel. Und das Geschrei vom Roger in der Küche, das ist auch legendär. Bin gespannt, was aus dem Pappelhof wird, wenn Roger nicht mehr da ist. Aus sozusagen.

  • #4

    Martin (Freitag, 01 November 2019 14:44)

    Und sogar das Rumpsteak mit Pfeffersoße schmeckt, liebe Cousine :-)
    Übrigens heißt das Fratelli "ortsintern" manchmal schon FRIKADELLI. Aber besser als Deutsches Reich

  • #5

    Ellen (Samstag, 02 November 2019 14:01)

    Hallo Susanne!
    Mal wieder sensationell,vor allem wenn dazu die Räumlichkeiten und Personen vor Augen hat. Ich hab soo gelacht. Das sollte wirklich im Kirchzeller Amtsblättle veröffentlicht werden.
    Darf ich das an Alex, meine Schwester, weiterleiten?
    Die hatten dort vor kurzem ihr Klassentreffen zum 50.
    Liebe Grüsse Ellen

  • #6

    Helga (Sonntag, 03 November 2019 13:02)

    Schon die Überschrift trifft es auf den Punkt. Und nicht nur wenn man es live erlebt hat, ist der Text einfach so genial und bildhaft. Liebe Grüße Helga