Schluss mit lustig

Es ist soweit. Ich sehe aus wie meine Mutter. Dabei wusste ich, dass mir das niemals passieren wird. Schlaffes Gelump und strenge Falte. Nicht mit mir.

 

Man weiß viel in jungen Jahren. Das muss dann alles später wieder zurechtgebogen werden. Ein mühsames Unterfangen. Lebenslanges Lernen klingt schöner. Freier Geist, unbändige Neugier und so.

 

Ich kannte mich jedenfalls total aus früher. Wusste genau Bescheid. Die richtigen Jeans, die einzige Band, die beste aller Welten. Im Besitz der Wahrheit in Sachen Toleranz und Demokratie. Da konnte mir keiner was vormachen. Außer ich.

 

Jetzt sehe ich aus wie meine Mutter. Da helfen weder Jeans mit Löchern noch Lotionen zu 99,80 die Tube. Aber man gewöhnt sich an alles. Auch ans Haarefärben mit Allergie danach. Vielleicht fallen die malträtierten Strähnen irgendwann aus vor lauter Garnier und l’Oréal. Dann ist endgültig Schluss mit dem Gewäsch vom seidigen Haar und es wird Zeit für hübsche Tücher.

 

Mühelos und nachhaltig gewöhnt man sich vor allem ans Rechthaben, scheint mir. Mit wechselndem Inhalt. Das ist wie mit dem künftigen Kopfschmuck. Muster und Farben immer passend zur Lebenslage.

 

Ich sehe jetzt aus wie meine Mutter. Und weiß mit Bestimmtheit, dass es Zeit ist für Verbote. SUVs und E-Roller? Geschenkt. Wichtiger ist, dass Vielsprechen verboten wird. Unfreundliche Menschen müssen weg, egal wohin. Außerdem Feiglinge, Angeber, Schmeichler, Fußballfans, Haustiere, Extremisten und Weicheier. Nie wieder schlechte Bücher, laute Musik und getrocknete Petersilie auf Kartoffelbrei.

 

Am allerschlimmsten sind aber die Rechthaber und Allesverbieter. Was ich mit denen mache, weiß ich noch nicht. Vielleicht lasse ich Gnade walten. Wir sind ja alle nur Menschen.

 

Meine Mutter sah gar nicht so schlecht aus. Sie hatte viele Haare und gern recht. Verbote haben sie nicht weiter interessiert.

 

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Kommentare: 5
  • #1

    Bettina (Donnerstag, 28 November 2019 20:01)

    du sprichst mir aus dem Herzen

  • #2

    Suse (Donnerstag, 28 November 2019 21:09)

    Genau... frag bloß nicht!
    Schön mal wieder Deine Stimme zu lesen ;-)

  • #3

    K (Donnerstag, 28 November 2019 23:16)

    Die Wahrheit entwickelt sich mit uns weiter, ganz geschmeidig. Und graue Haare werden auch noch schön oder sind es schon. Vor zukünftigen Wahrheiten schrecken wir auch nicht zurück.

  • #4

    Susanne (Sonntag, 01 Dezember 2019 20:01)

    Ach ach, Ihr Lieben, am schönsten ist es, wenn man nicht alleine ist mit den Jahren, den Haaren und den alten und neuen Wahrheiten. Danke Euch.

  • #5

    Karin (Montag, 02 Dezember 2019 09:15)

    Wunderbar ! Man nähert sich irgendwie seinen Müttern an.Für mich ist es auch schön sich nicht so zu verbiegen .