Putztag

 

Den Mob kenne ich von früher. Er wurde für den Holzboden in der Schneiderwerkstatt des Großvaters rausgeholt. Weniger ein Ding zum Putzen als ein lustiges Tierchen mit Wuscheln, Fransen und Löckchen. Wir durften aufsitzen und mitwischen, wenn die Oma gut gelaunt war. Mit großen Schwüngen ging es in die Ecken, unter den hohen Bügeltisch und dann im Slalom ab durch die Mitte. Leider wurden wir viel zu schnell viel zu groß für den Spaß. Der einzige Sport, für den ich einem Verein beigetreten wäre.

 

Dass dieser Mob mit zwei p geschrieben wird, spielt keine Rolle. Harte Konsonanten gibt es nicht in unserem Dialekt. Tüte wird „Dudde“ gesprochen und Papa „Babba“. Ihr dürft gern lachen. Es gibt nur zwei merkwürdige Ausnahmen: „Karasch“ für Garage und „Sempft“ für Senf. Das müsste mal einer gründlich erforschen.

 

Vom gemütlichen Mob in der Schneiderei ist nicht viel übriggeblieben. Man lernt dazu, die Welt wird größer und die Worte wachsen mit. Der Ton wird rau und härter. Irgendwann hört man das p hinterm weichen b, auch wenn‘s immer noch als Baby-b aus dem Mund rollt.

 

Beim Moppern hab ich lange nicht begriffen, dass das nichts Schönes sein soll. So ein hübsches kleines Wort, fast wie Moppelchen. Noch schwieriger war’s beim Mopsen. Erst als ich das Tier dazu gesehen hatte, war klar, dass hier eklige Außerirdische mitgemeint sind. Oder sehen die Viecher etwa nicht aus wie die bösartige Verwandtschaft von E.T.? Spätestens beim Mobbing ist es endlich geschafft. Die Kindheit ist rum, der Kampf kann beginnen. Manche nennen das Erwachsenwerden. Da lässt sich auch mit musikalischen Flashmobs nicht mehr viel machen.

 

Der Mob als „reizbare Volksmenge“ ist dann der absolute Endpunkt des menschlichen Abstiegs. Natürlich nur, wenn man zum Mob gehört. Nicht, wenn man entsetzt drauf schaut am Fernseher. Und ab und zu den Blick hebt zum Diplom im schlichten Rahmen. Dieser Mob ist instinktgeleitet, gesetzlos und anfällig für Anführer. Jetzt aber bitte nicht an Wirecard denken oder die Clique mit dem Abgasbetrug. Die stellen ja gesellschaftliche Normen, Werte und Institutionen nicht in Frage. So vom Prinzip her jedenfalls.  

 

Mein Verständnis für durchgeknallte, bewaffnete und nationalistische Macho-Männer und -Frauen hält sich sehr in Grenzen. Aber hatten die feineren Kreise bei den Republikanern nicht lange vor dem Angriff auf das Parlament Zeit und Gelegenheit, den Brandstifter und seine Fans zu stoppen? Wir werden sehen, ob eine „reizbare Volksmenge“ ohne Dauerbefeuerung die Wut weißglühend halten kann.

 

Ich werde derweil eine MmM-Gruppe gründen. Meditation mit Mob. Hundertprozent reizarm, für alle Holzböden.

 

Foto: Susanne

Zitat Mob: wikipedia

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Arne (Dienstag, 19 Januar 2021 23:44)

    Wieder mal eine geniale Verbindung zwischen Zeitgeschehen und sprachlicher Finesse - danke Susanne! Bleibt wirklich spannend, ob die treue Dienerschaft weiterhin die Glut des Zorn und des Hasses am Leben hält, wenn der Dauerzündfunke nicht mehr aus den hochherrschaftlichen Häusern in die Welt gesendet wird. Häuser, zu denen sie sich nur kurz Zutritt verschaffen dürfen - und dann wie Dreck davon gespült werden.

  • #2

    Nicolette (Mittwoch, 20 Januar 2021 19:56)

    Kaum hat man es sich auf dem Mob mit Dir gemütlich gemacht, schlitterst Du mit uns zu den fiesen Wahrheiten. Super !

  • #3

    Susanne (Donnerstag, 21 Januar 2021 20:45)

    Danke Euch! Ich freue mich sehr, dass Ihr mit dem Text was anfangen könnt. Dass im wörtlichen Sinn mit dem Schlusspunkt etwas beginnt und weitergeht.