Lassie

 

Ich schaue jetzt Tierfilme. Zuletzt habe ich das mit 13 gemacht. „Ein Platz für Tiere“ hieß die Sendereihe. Bernhard Grzimek berichtete über wilde Tiere und ließ dabei ein Äffchen auf sich rumturnen. Wir saßen auf der dunkelbraunen Couch-Garnitur und aßen Paprika-Chips mit Cola. Für den Großvater waren die Löwen, Hyänen und Nilpferde das Größte. Für uns die Chips.

 

Viel besser als Grzimek waren aber die anderen Filme mit Tieren: Daktari, Flipper, Fury, Lassie. Aber das waren keine echten Tierfilme. Die Tiere waren irgendwie gar keine, sondern verkleidete Familienmitglieder, die nur nicht mit im Haus wohnen konnten, weil sie zu groß waren oder zu nass. Und Lassie? Hatte der eine Hundehütte? Oder schlief er in dem schönen Haus, wo die Fenster von unten nach oben aufgingen? Ich weiß es nicht mehr. Auf keinen Fall aber hat er in einem der Menschenbetten geschlafen, wie man das heute manchmal von nur halb verschämten Hundebesitzern hört.  

 

Jetzt also Tierfilme. Zuletzt war das ein Film über Kaltwasserhaie. Toll und auch sehr gruselig. Der Eishai zum Beispiel sieht aus wie ein schlecht gemachtes Requisit aus Pappmaché in einem Film von 1910. Der Hai hat damals wahrscheinlich tatsächlich schon gelebt. Die Tiere werden geschätzt bis zu 500 Jahre alt. Die Damen werden erst mit ungefähr 150 Jahren auf dem Buckel geschlechtsreif. Die heutige Eishaimutti ist also 1870 geboren. Damals herrschte Krieg, was sonst, zwischen Frankreich und Deutschland. Jules Verne veröffentlich das Buch 20.000 Meilen unter dem Meer und die Walküre von Richard Wagner wird in München uraufgeführt.

 

Na und, könnte man sagen. Oder mit Karlsson vom Dach „Das stört keinen großen Geist“. Kann sein. Wichtig ist nur, dass Corona nicht vorkommt. Kein Covid, keine Inzidenz, keine Impfquote und keine Triage. Und Reproduktion bedeutet nur, das Frau Eishai ein Haimädchen in die Meerestiefe schubst.

 

Auch im echten Leben ist in diesen Zeiten ein rätselhafter Hang zum Tier entstanden. Den Tierheimen gehen die Schützlinge aus. Der Schwarzmarkt brummt. Es scheint, als wolle der Mensch bei der Fledermaus etwas gut machen. Nicht mit Artenschutz und gebotener Distanz zu wild lebenden Arten. Mit Kuschelwelpen machen wir das. Klar, man will ja auch was davon haben. Und wenigstens mit irgendwem ersatzweise herzen und knuddeln. Obwohl ich nicht den Eindruck habe, dass wir vor der Pandemie ein ausnehmend liebvolles Verhalten zu den Mitmenschen an den Tag gelegt hätten.

 

Seit ich Tierfilme gucke, verstehe ich viel mehr von den Zusammenhängen in der Natur. Wie alles und alle voneinander abhängen und miteinander im Austausch stehen. Wenn man sie in Ruhe lässt und das Haimädchen nicht schon mit zwei im Beifang der Fischer landet.

 

Das ist wissenschaftlich noch nicht endgültig belegt, aber die Hinweise verdichten sich, dass die Fledermäuse ihre weit entfernten Verwandten rächen: die armen, gequälten, zugeküssten Hundileins.

 

P.S: Ich höre gerade, dass Lassie ein Hundemädchen war. Das tut mir sehr leid. Und dabei hab ich bei dem Haibaby extra aufgepasst. Andererseits kommen mir einfach alle Tiere vor wie Männer, können nicht sprechen und verhalten sich eigenartig.

 

Fotoausschnitt: "Du siehst aus wie ich mich fühle" Rubrik DIE ZEIT 2020

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Thomas (Montag, 15 Februar 2021 16:35)

    na klar....Alexander von Humboldt....1800.....der war ähnlich drauf wie Du jetzt!!
    Schöne Kolumne, Susanne!
    Dein Naturbursch-Bruder.