"Sprech Deutsch!"

Das ist es ja. Das Problem, meine ich. Deutsch ist eine schwierige Sprache. Wenn auch nicht so schwierig wie Suaheli oder Mongolisch. Zumindest für Deutsche. Für Ostafrikanerinnen und Mongolen ist es natürlich nicht ganz so schwer. Zumindest, wenn sie mongolisch- oder suahelisprechende Mütter, Tanten und Kumpels haben. Richtig kompliziert wird’s, wenn die Mutter Suaheli, Lehrer, Verkäuferinnen und Freundinnen aber Deutsch sprechen.

 

Meine Mutter konnte gut Deutsch. Immer super Noten. Ich hab sie perfekt verstanden. Also die Wörter. Den Rest nicht so. Das war umgekehrt ähnlich. Es muss aber ein lustiges Deutsch gewesen sein. An der Uni wurde bei meinem ersten Referat jedenfalls sehr gelacht. Dabei war das Thema nicht spaßig. Es ging um den Kampf gegen die Todesstrafe im Werk eines Schriftstellers, Namen vergessen. Das ist nur komisch für begeisterte Henker oder Schicksalsgläubige. Es muss an den Niedersachsen gelegen haben beziehungsweise an meinem besonderen Deutsch. Eine Mundart, die nicht geeignet ist, Leute berufsmäßig zum Lachen zu bringen. Nicht wie bei Polt oder so.

 

Davor hab ich ein bisschen in Frankreich gejobbt. Kein Problem, dachte ich. Immer super Noten. Ich sollte eine Liste abtelefonieren und nach was fragen. Leider waren die allermeisten im Bett. „Au lit“ heißt das. Aber so viele Leute gleichzeitig krank oder hundemüde am hellichten Tag? Vielleicht ist das so bei den Franzosen. Aber doch seltsam. Die Kollegin fand es nicht lustig: „Ich dachte, Du hast Französisch in der Schule gehabt.“ Die Leute waren nicht im Bett, sie haben auf der anderen Leitung telefoniert. „En ligne“ heißt das.

 

„Sprech Deutsch“ ist schnell gesagt. Mehr Zeit braucht’s schon, um „sprich Deutsch“ zu lernen. Von ganzen, richtigen und schönen deutschen Sätzen gar nicht zu reden. Das kriegen gar nicht so viele hin, selbst wenn sie Hans heißen und als Hänschen angefangen haben. Und Hakim kann das ganz vergessen, wenn er mit 40 aus Aleppo in Fürstenfeldbruck ankommt. Aber seine Tochter Amira hat gute Chancen. In Niedersachsen wird dann wieder gelacht, wenn sie später einen bayrisch gefärbten Vortrag über Spracherwerb im Erwachsenenalter hält. Aber sie kann ja auch lachen. Übers Sächsische, Schwäbische oder Schweizerische. Nur einen starken syrischen Akzent finden die Leute komischerweise nicht lustig. Das ist wahrscheinlich wie bei den Mallorquinern. Die finden unser Gestammel im 20. Urlaubsjahr auch nicht süß.

 

Da ist es gut, dass wir umstandslos verstehen, wenn ein Mensch sich fürchtet oder schämt, unsicher ist oder in Not. Ob Mongolese, Ostafrikanerin oder Deutsche. Ohne ein einziges Wort zu verlieren. Ein bisschen Mühe kann dann auch nicht schaden.

 

 

Foto Elaine Humphries: Arles

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Gesa (Mittwoch, 24 Februar 2021 09:29)

    Du hast mit deinem Beitrag den Nagel auf den Kopf getroffen.

  • #2

    Ruth (Freitag, 26 Februar 2021 15:08)

    Sehr lustig, traurig und wahrhaftig.