Gute KiTa Gesetz, Brücken-Lockdown, Cis-Gender, Osterruhe, binär, Hartz IV, Impfangebot. Wörter sind allmächtig. Sie können alles. Dinge beschreiben, Sachen verfälschen, Zukunft beschwören, das Heute bewerten, Vergangenes kleinreden oder nachträglich groß machen. Sie sind vieldeutig, tückisch, lustig, romantisch, brutal, belanglos und bedeutsam. Mit der Wahrheit haben sie es aber nicht so. Die steht auf einem anderen Blatt. Auf diesem wimmelt es wahrscheinlich von schwer verständlichen Zahlen, Messungen und Berechnungen. Bestenfalls dekoriert mit hübsch geordneten Kreisen, Kurven und Dreiecken.
Zum Beispiel steht da 100 Meter Abstand zwischen A und B. Nichts von nah oder fern. „Wann sind wir endlich da?“ ist eine Kategorie für Quengelei im Auto und hat nichts zu tun mit der tatsächlichen Entfernung zum nächsten Klo. Das ist wie mit dem exponentiellen Wachstum bei Infektionskrankheiten. Es schert sich nicht um die Beschwerden von quer frisierten Freiheitskämpfern.
Als ich zum ersten Mal von einem Cis-Mann las, dachte ich, der singt wohl ein bisschen höher als üblich. Weil das sozusagen im Zusammenhang mit Musik von Herbert Grönemeyer vorkam. „Wann ist der Mann ein Mann“ und solche Fragen.
Sehr gut finde ich auch den Begriff Hartz IV zur Verschleierung von unanständig niedriger Stütze. Immerhin kommt sowas wie „hart“ dabei vor. Und die römische IV klingt fast wie ein Kapitel in einer Aufsteigergeschichte. Wie die von Peter Hartz. Am Ende gestand der frühere Personalvorstand von VW im Korruptionsskandal 2007 allerdings genau 44 Anklagepunkte. Untreue, Begünstigung, Lustreisen etc. Mindestens bei der Bezahlung für Prostituierte war Peter Hartz bzw. sein Arbeitgeber VW großzügig.
Andere wiederum beschreiben Hartz IV als Belohnung für Sofahocker. So vertrackt ist das mit den Worten. Es ist mir aber nicht bekannt, dass die aus der Belohnungsecke im Vorgarten von Herrn Hartz aufgetaucht sind, um ihm mal die Leviten zu lesen. Wegen der außerordentlichen Aufwendungen für körpernahes Gewerbe.
Noch schöner ist das Impfangebot in diesen Zeiten. Wie leichtfüßig das Wort daherkommt. Wertvoll und doch bescheiden lockt das seltene Einzelstück im Flagship Store von Jens Spahn. Eine sehr lustige Formulierung, wo doch die Leute Schlange stehen und die Hausärzte belagern. Man könnte auch von Notstand sprechen. Vielleicht gibt es demnächst auch ein Gesamtschul-Angebot. 700 Kinder sind in diesem Jahr in Köln abgelehnt worden. Für die könnte man sich schöne Sonder-Angebote überlegen. Gymnasium, Realschule oder gleich Umzug nach Bayern. Oder einfach mal ein Jahr aussetzen und sich mit Gartenarbeit beschäftigen. Es wird sowieso immer noch viel zu viel für die Schule gelernt.
So oder so wird man nicht verhindern können, dass das Impfangebot in den Ohren einiger quirliger Geister nach Impfplicht klingt. Seit Orwells 1984 wissen wir doch, wie Neusprech funktioniert. Es wird etwas gesagt und das genaue Gegenteil ist gemeint. Freiheit ist Sklaverei, das Ministerium für Frieden befasst sich mit Krieg und Joycamp ist ein Arbeitslager. So ist das mit den Wörtern. Vielleicht sollte man sie ganz verbieten. Da gibt es schon gute Ansätze. Aber ob das hilft? Nichts sagen Kinder lieber als Pipi, Kacka, Pups.
Foto Elaine Humphries
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