Blickkontakt

Im Biergarten um die Ecke ist ein großer Tisch reserviert. Freitagabend, Wochenende. Es setzen sich sieben Frauen und ein Mann. Sechzigsiebzig Jahre alt schätze ich. Also quasi ich. Einige lebensgefährlich dick. Ihre Körper fließen an den Gartenstühlen herab, quellen durch das Flechtwerk. Ich will, dass jemand die zähe Masse an ihren Platz zurückschiebt. Nicht dass da noch was Schlimmes passiert. Am Ende schleimen mir die Menschen vielleicht über die Füße, es ist abschüssig hier. Schwemmen mich langsam mit, Richtung Rhein. Und dann heidewitzka Herr Kapitän.

 

Es ist heiß, da zerläuft sowieso alles, bläht sich auf und spuckt zum Schluss das menschliche Gekröse in die kalte Welt. Nein, Entschuldigung, das sind die Wasserleichen. Hab mich vertan. Bei großer Hitze verklumpen vielmehr die Zellen. Es findet also das Gegenteil statt. Alles wird fest und starr und ein bisschen schief und übertrieben. Wie bei Comic-Figuren, stelle ich mir vor. Lindner sieht überhitzt aus wie Lucky Luke zum Beispiel. Und Baerbock wie Popeye seine Frau Olivia.

 

Die sieben Frauen haben noch heile Zellen. Sie holen ihr Strickzeug raus und stricken. Jede was anderes, andere Muster, andere Farben, andere Nadeln. Stumm sind sie auch nicht. Sie sprechen über dies und das. Aber nicht über die Handarbeit. Der Mann spricht auch. Strickt aber nicht. Normalerweise ist der Mann in so einer Frauengruppe der Anführer. Hier nicht. Vielleicht ist er heute der Anfänger. Traut sich nicht, die Wolle aus der weich gebeulten Stofftasche vor seinem Bauch zu holen. Hier, so in aller Öffentlichkeit.

 

Mir kommt das alles ungehörig vor. Den Leuten einfach so zeigen, was man privat strickt. Die Söckchen für den Enkel, der Schal mit dem Tiger drauf. Immerhin sehe ich keine Tattos. Die müsste ich sonst auch noch anstarren und mir Gedanken machen. Aber vielleicht habe ich einen gehörigen Dachschaden.

 

Das denkt die Frau mit dem Tigermuster. So was sehe ich. Sie schaut mich unverwandt an. Der graue Haaransatz. Sehr ungepflegt. Und immer noch rauchen. In dem Alter. Kein Wunder, dass die so dünn ist. Da hängt dann die Haut am Innenarm runter, als ob sie davonfließen wollte, Richtung Rhein. Eklig. Dass man so lange sitzen kann auf der harten Bank, ohne ordentlich Polster hintenrum.

 

Ich stehe auf und gehe nach Hause. Auf der harten Bank tut einem alles weh mit der Zeit.

 

Collage: Susanne

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